Die drei Wanderer
(Idyll aus den Weinleseliedern)
Drei Wandersleute sieht man hin
Die lange Straße wandern,
Weit in die Ferne steht ihr Sinn,
Und einer spricht zum andern:
Da stehen sie am Wege nun,
Die langen Müßiggänger,
Und haben weiter nichts zu thun
Und werden immer länger.
Da stehn sie mit dem steifen Hals,
Die ungeschlachten Pappeln,
Und wissen nichts zu machen als
Mit ihren Blättern zappeln.
Sie tragen nicht, sie schatten nicht,
Und rauben, wo wir wallen,
Uns nur der Landschaft Angesicht;
Wem können sie gefallen?
Verzogne, vorgezogne Zucht
An kleinen Fürstenhöfen,
Sie geben keine gute Frucht,
Und schlechtes Holz den Öfen.
Verdrängen jeden bessern Baum,
der fruchtbar langsam sprießet,
Nicht wie ein Pilz und wie ein Traum
So über Nacht aufschießet.
Sie saugen nur die Felder aus,
Die hochgebornen Prasser;
An ihrem Blatt die gift'ge Laus
Verdirbt im Quell das Wasser.
Und wie auf ihren Wipfeln mag
Kein Vogel ruhn und rasten,
Kein Wandrer auch am heißen Tag
Mag unter ihnen gasten.
Sie stehn nur da, damit er sieht,
Wie weit hinaus sich dehnet
Die Straß', in deren Staub er zieht
Und müd' ihr End' ersehnet.
Gleich Grenadieren aufgestellt,
In langgedehnten Haufen;
Weh', dem das Los der Strafe fällt,
Die Gass' hindurch zu laufen!
Durchlaufen, wollt' ich, wäre sie,
Und nah die fernen Räume,
Wo tröstlicher als Pappeln hie,
Am Weg stehn Kirschenbäume.
Aus:
Haus und Jahr
Verfasst im Spätherbst 1833
nach Rückerts Wanderung zum Ochsenkopf
Wanderlied - Dem Wandersmann gehört die Welt
Dem Wandersmann gehört die Welt
In allen ihren Weiten,
Weil er kann über Thal und Feld
So wohlgemut hinschreiten.
Die Felder sind wohl angebaut
Für andre und von andern;
Ihm aber, der sie sich beschaut,
Gehören sie jetzt beim Wandern.
Durch Wiesen schlängelt sich ein Pfad
Wie zwischen Blumenbeeten.
Ich weiß nicht, wessen Fuß ihn trat;
Er ist für mich getreten.
Und neben in das Gras hinein,
Wo sie wohl Futter holen,
Das Grün ist auch beim Wandern mein,
Ein Teppich für meine Sohlen.
Der Baum, der hier am Wege steht,
Wem mag er Frucht erstatten?
Doch weil mein Weg vorübergeht,
So gibt er mir den Schatten.
Sie haben ihn hieher gesetzt
Wohl nicht zu meinem Frommen;
Ich aber glaube, daß er jetzt
Sei eigens für mich gekommen.
Der Bach, der mir entgegenrauscht,
Kommt her, mich zu begrüßen,
Durch Reden, die er mit mir tauscht,
Den Gang mir zu versüßen.
Und wenn ich seiner müde bin,
Er wartet auf mein Winken,
Gleich wendet er sich zur Rechten hin,
Und ich zieh' fort zur Linken.
Die Lüfte sind mir dienstbar auch,
Die mir im Rücken wehen,
Sie wollen doch mit ihrem Hauch
Mich fördern nur im Gehen.
Und die ins Angesicht mich küßt,
Sie will mir auch nicht schaden:
Es ist die Ferne, die mich grüßt,
Zu sich mich einzuladen.
Der Regen und der Sonnenschein
Sind meine zwei Gesellen,
Die, einer hinterm andern drein,
Abwechselnd ein sich stellen.
Der Regen löscht der Straße Staub,
Die Sonne macht sie trocken;
Daneben wollen Gras und Laub
Sie aus dem Boden locken.
Und spannt in ihrem Wechselspiel
Sich aus ein Regenbogen,
Komm' ich, entgegen meinem Ziel,
Darunter hergezogen.
Der Bogen ist für mich gespannt,
Weil ich darunter walle;
Zu Trägern sind die Berg' ernannt,
Daß er auf mich nicht falle.
Und wo ein Dorf entgegentritt,
Da hör' ich Glocken läuten.
Sie meinen selber mich damit,
Was könnt' es sonst bedeuten?
Sie läuten etwan einer Braut,
Vielleicht auch einem Toten;
Ich aber deut' auf mich den Laut:
Ein Gruß wird mir geboten.
So zieh' ich im Triumphgesang
Entlang die lange Straße;
Und nie wird mir um etwas bang',
Das ich im Rücken lasse.
Wie eines hinter mir entweicht,
So kommt gleich her das andre;
Und nie hab' ich das End' erreicht
Der Welt, soweit ich wandre.
aus: Herbst.
Die Wanderschaft
Der Wanderbursche wollte gehn
Auf's Wandern, um die Welt zu sehn,
Von Oberlaueringen.
Wie weit wird er es bringen?
Bis Königshofen vor das Thor
Hat er's gebracht und steht davor,
Und sieht aufs allerbeste
Die Stadt sich an, die feste.
Die Festung hat ein Thor allein,
Um desto fester nur zu sein,
Daß Feinde, wenn sie kämen,
Nicht mehr als eins einnähmen.
Der Wandrer wußt' es nicht zuvor,
Er wandert' ein zum einen Thor,
Und wollt' hinaus zum andern
In alle Welt nun wandern.
Doch weil die Stadt ein Thor nur hat,
So mußt' er durch das Thor der Stadt,
Zu dem er eingegangen,
Nun auch herausgelangen.
Er kommt hervor zum selben Thor,
Und steht und sieht und denkt davor:
Das Land ist doch noch schöner
Von dieser Seit' als jener.
Je weiter fort er geht in's Land,
Von Ort zu Ort er's schöner fand,
Stets heim'scher von Geberden
Die Gegend schien zu werden.
Auf einmal blickt er unverwandt:
Der Kirchthurm dort ist mir bekannt,
Und seine Glocken klingen
Wie Oberlaueringen.
Schon in der Schule ward mir kund,
Daß diese Welt ist kugelrund,
Und man sie kann umwandern
Von einem Ort zum andern.
Ich habe sie von einem Pol
Zum andern nun umwandert wohl,
Und in der Heimath wieder
Leg' ich mein Bündlein nieder.
Es war gethan in kurzer Frist,
Allein das größte Wunder ist,
Daß ich zur selben Seite,
Woraus ich zog, einschreite.
Wenn man mich nun zur Rede stellt,
Wo ich gewesen in der Welt?
Setz' ich mich hintern Ofen,
Und sag': in Königshofen.
Aus: Des Dorfamtmannsohnes Kinderjahre